Beschreibung: Ein bißchen unmöglich ist es ja schon, was die Regisseurin da von ihrer jungen Autorin verlangt: Nichts Geringeres nämlich soll diese schaffen, als den verschollenen Roman «Der Messias», geschrieben vom 1942 im jüdischen Ghetto von Drohobycz ermordeten Bruno Schulz, für die Bühne zu adaptieren. Wie das Unsichtbare in Bilder überführen, das Unfassbare erfahrbar machen? Schon bald steht für die Autorin fest: «Der Messias» ist mehr als nur ein Buch, er ist gleichzeitig auch die Geschichte seiner Entstehung und seines Verschwindens. Und so erspinnt sie eine wahnwitzige Story um polnische Staatssekretärinnen und KGB-Agenten, Altnazis und obsessive «Bruno Schulz»-Forscher. Mittendrin, ungesehen, ungehört: Bruno Schulz selbst, verzweifelt arbeitend an der Fertigstellung seines Buchs. Auf einer kargen und von weißen Papierblättern übersähten Bühne präsentiert der polnische Regisseur Michał Zadara eine von Beginn an zum Scheitern verurteilte Suche, bei der die verschiedenen Erzählebenen von Fiktion und «Realität» zunehmend verschwimmen. Bewertung: Dank dem großartig leichtfüßigen Ensemble und einem mutigen Regisseur, der den schrillen, abgründigen Humor des Texts bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus treibt, wird die präzise choreographierte Uraufführung von «Bruno Schulz: Der Messias» zu einem bewegenden Theaterabend. Dabei verzichtet die Inszenierung auf das Liefern einer vorgekauten Erkenntnis, behält den erhobenen Zeigefinger in der Tasche und liefert stattdessen, indem sie menschliches Scheitern zum zentralen Betrachtungspunkt erhebt, spannende Fragen anstelle abgegriffener Antworten. - Kai Krösche, 12.10.2010