Wien - Es gibt Indizien, dass der polnische Dichter Bruno Schulz ein Werk mit Titel "Der Messias" hinterlassen haben könnte. In ihrem fantastisch-komischen Stück Bruno Schulz: Der Messias, das am Samstag im Wiener Schauspielhaus Premiere hatte, schickt die aus Warschau gebürtige Dramatikerin Malgorzata Sikorska-Miszczuk ihre Protagonisten aus fragwürdigen Beweggründen auf eine Suche nach dem verschollenen Roman: Die Unterstaatssekretärin Bieta Ficowska (großes Schauspiel von Katja Jung!) möchte mit dem Monumentalroman den Tschechen (Stichwort: Kafka) eins auswischen.

Ein Geheimagent (Vincent Glander) soll das Werk suchen und im Interesse der Ukraine vernichten. Die "Autorin" (Nicola Kirsch), die für ihre "Regisseurin" (Bettina Kerl) den "Messias" rekonstruieren soll, lässt das Publikum die Entstehung ihres Stückes miterleben. Und auch Bruno Schulz, der richtige Autor, sucht in einem Buchstaben- und Blättermeer nach seinem eigenen Stück.

Das Ensemble des Wiener Schauspielhauses, dem in der Regie des Polen Michal Zadara eine überaus präzise und leichtfüßige Darstellung gelingt, spielt die Korrekturen der Autorin gleich mit: Unzählige Male muss der gehetzte, von einem Phantom (der SSler Karl Günther) per Kopfschuss getötete Bruno Schulz (Steffen Höld) wieder vom Boden aufstehen, ehe ihm die passenden letzten Worte über die Lippen kommen und er liegenbleiben darf.

Bruno Schulz: Der Messias, das von Olaf Kühl in eine elegante deutsche Fassung gebracht wurde, ist Trash und kluge Parodie (Max Mayer in einem grandiosen Solo als SS-Hauptscharführer), ist ein Literaturkrimi und vor allem ein erfrischender Theaterabend.

(Isabella Pohl, DER STANDARD - Printausgabe, 12. Oktober 2010)