"Dieser Junge heißt Gavrilo und er wird bald einen Menschen umbringen." Dieser Satz wird ziemlich zu Beginn auf die Bühne des Schauspielhauses projiziert. Die Rede ist von Gavrilo Princip. Der Mann, den er umbringen wird, hat einen prominenten Namen. Gavrilo Princip war jener Mann, der am 28. Juni 1914 Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie in Sarajewo erschossen hat. Zwei Kugeln, mit denen ein 19-jähriger Schüler die erste große Katastrophe des 20. Jahrhunderts ausgelöst hat? Die wie in einem "Matrix"-Film in Zeitlupe den Lauf der Welt geändert haben? Dass das eine gar vereinfachte Sicht ist, ist schon lange klar. "Der Krieg wäre sowieso gekommen", sagt Gavrilo Princip denn auch im letzten Akt dieses Stücks, als er seinem Tod in einem Spital in Theresienstadt entgegensiecht.

Für eine solche Einsicht hätte es also kein neues Theaterstück gebraucht. Darum geht es Biljana Srbljanoviæ mit "Princip (Dieses Grab ist mir zu klein)", das am Donnerstag seine Uraufführung erlebte, auch gar nicht. Das Stück, ein Auftragswerk für das Wiener Schauspielhaus, handelt nicht nur von Gavrilo Princip, sondern auch von seinen Komplizen: Nedeljko Èabrinoviæ warf am 28. Juni 1914 eine Bombe, Danilo Iliæ hatte die beiden Freunde für die "Schwarze Hand" rekrutiert und das Attentat geplant. Cabrinoviæ war 19, Ilic 24 Jahre alt.

Visionen fallen leicht
Im ersten Teil des Dramas wird denn auch das jugendliche Ungestüm dieser Männer deutlich, mitunter in durchaus komischen Dialogen. Beim Billardspiel werden politisches Verständnis und amouröses Missverständnis balanciert. Und einmal, am Vorabend des Attentats, als Iliæ’ Schwester Ljubica über die orgiastischen Jagdgewohnheiten des Thronfolgers fantasiert, riecht es bis in den Publikumsraum nach Cannabis. Es sind junge Menschen, die in einer Umgebung der Unterdrückung und Armut leben, junge Menschen, denen politische Visionen trotz der Umstände noch so viel leichter fallen, als es wohl heute der Fall ist. Die Inszenierung und das White-Cube-Bühnenbild von Michael Zadara holen - zumindest im ersten Teil - diese historische Verschwörung effektvoll ins Heute. Etwa wenn sich Danilo und Apis, Leutnant der "Schwarzen Hand", in einer Deep-Throat-Tiefgaragen-Szenerie heimlich treffen. Oder wenn Apis Danilo wie im Film "Fight Club" die Paragraphen der Vereinigung abprüft.

Martin Vischer spielt Gavrilo Princip so träumerisch wie verkopft, Simon Zagermann ist als sein Freund Èabrinoviæ ein naiv-energischer, unbrechbarer Unberechenbarer. Gideon Maoz ist als Danilo Iliæ ein gefasster, überzeugter Terrorist der modernen Schule, wohingegen Apis von Florian von Manteuffel als lakonischer Feigling porträtiert wird. Nicola Kirsch schließlich als Ljubica ist eine selbstbewusste junge Frau mit Durchblick, ganz klar, dass sie das "erste Opfer" wird.

So mitreißend das Ensemble, so packend die Inszenierung und so geschliffen einleuchtend die Dialoge auch im ersten Teil sind, so enttäuschend ist der zweite Teil. Da werden die Attentäter in Gefängnis und Spital vom Geist von Danilo heimgesucht. Um dann in einem etwas aufgesetzten Schlussakkord mit Sirenenbegleitung schnell noch festzustellen, dass alle Mühen für ein einiges Jugoslawien mit den Füßen getreten wurden im Lauf der weiteren Geschichte. Am Ende steht in fetten Lettern "Princip" auf der Bühne. Vielleicht ironisch, dass der Name nicht nur auf das Prinzip als Grundsatz verweist, sondern auch auf den "Anfang". Den Anfang vom Ende? Die Attentäter von Sarajewo, sie mögen "aus den Gräbern schreien, der Jugoslawe wird seine Freiheit erringen". Aber genauso stimmt doch, was Princip einmal zu Èabrinoviæ sagt: "Der einzig Angespuckte bist am Ende du selbst."